FILMTIPP

alphabet - Angst oder Liebe

Ein Film von Erwin Wagenhofer


alphabet ist der abschließende Teil einer Trilogie (We feed the world, Let’s make Money) von Erwin Wagenhofer.

Eine Dokumentation über unser überholtes Bildungs-system, das mit den gesellschaftlichen Anforderungen nicht mithalten kann. Die Themen Bildung, Angst, PISA, verschiedenste Bildungssysteme, Bindungen und Liebe werden ebenso aufgegriffen und aufzeigt warum Noten und Abschlüsse unglücklich machen.

Wer glaubt, dass er in 109 Minuten eine langweilige Dokumentation zu sehen bekommt, der irrt gewaltig und sollte sich –versuchsweise- trotzdem auf diesen Film einlassen. Es lohnt sich wirklich!!!

Es werden weltweite Bildungssysteme vorgestellt, ihre Vor-und Nachteile aufgezeigt. Die unglücklichsten Kinder gibt es in China – hier gibt es laut PISA die besten Schüler – aber auch die höchste Selbstmordrate bei Studierenden.

Viele Wissenschaftler und Forscher teilen ihr Wissen mit uns:
Yang Dongping (Erziehungswissenschaftler), Andreas Schleicher (deutsche „Erfinder“ des  PISA-Tests), Gerald Hüther (Neurobiologe), Ken Robinson (Kreativitätsforscher), Thomas Sattelberger (ehem. Personalmanager der Telekom). Aber auch „einfache“ Menschen aus der Gesellschaft, bildungsfernen Umgebungen, Menschen mit Handicap und Gymnasiasten kommen zu Wort.

Es wird mit Vorurteilen aufgeräumt – auch Menschen mit Down-Syndrom sind fähig als Lehrer zu arbeiten, wenn sie richtig gefördert und anerkannt werden.

Jeder einzelne dieser Interview-Partner hat seine eigene Definition für Bildung und manch einer überrascht auf besondere Art und Weise mit seiner Einstellung und seinen Thesen zum Thema Lernen.

Klar und deutlich wird hier, dass unser Bildungssystem veraltet und verstaubt ist. Das nur Leistungsdruck und materielle Güter uns nicht glücklich machen und all dies nicht der Sinn eines irdischen Lebens sein kann.

Am Beispiel von André Stern und seiner Familie wird deutlich wie ein Leben ohne Schule verlaufen kann und dass man dabei wirklich etwas lernt – nämlich etwas, was man im realen Leben auch nutzen kann.

André Stern wurde frei von schulischen Zwängen in Frankreich aufgezogen, beherrscht mehrere Sprachen, hat mehrere Bücher geschrieben (... und ich war nie in der Schule: Geschichte eines glücklichen Kindes), ist Musiker, Komponist, Gitarrenbauer, Journalist und gefragter Referent. Er verdient seinen Lebensunterhalt ohne jemals eine Schule besucht zu haben.

Dieser Film hat mich aufgerüttelt und in meiner persönlichen Meinung bestätigt. Wenn ich etwas lernen soll, dann funktioniert es am besten, wenn ich einen Sinn dahinter sehe und es mir Spaß macht.

Eine der Kernaussagen für mich war, dass jeder Mensch in jungen Jahren genial ist und mit zunehmendem Alter mehr von unkonventionellen Denkstrukturen abweicht – um in eine Form gepresst zu werden. Diese Form entspricht dem Bild unserer heutigen Gesellschaft, das wir uns selber entwickelt haben bzw. uns aufgezwungen wird. Wir Menschen verlieren die Fähigkeit auch einmal um die Ecke zu denken, da es die Gesellschaft nicht erwünscht und manchmal (siehe China) ja auch gar nicht erlaubt. Wer es dennoch wagt, gilt als Sonderling und entspricht nicht der Norm. Wir alle stehen derart unter Leistungsdruck, dass wir unser kreatives Denken ganz verlieren. Wir sind langweilig, nur an Regeln gebunden und im Prinzip nur noch funktionierende Androiden.

Gerald Hüther
Gerald Hüther („Sie können keinen Menschen zwingen, sich zu bilden, sie können ihn nur dazu einladen.“)

Der zweite Teil der Kernaussage ist, dass Menschen auch ohne schulische Bildung vorwärts kommen können. Schreiben, lesen, rechnen und sogar Fremdsprachen lernen können. Das in dieser freien Erziehung Platz ist für die eigenen Interessen und Talente und was man wissen will, das bekommt man auch in den Kopf.

Hierbei liegt der große Vorteil darin, dass man nur das lernt, was man tatsächlich für das eigene Leben und Überleben benötigt und keine sinnlosen Kurvendiskussionen oder chemische Formeln. Am Beispiel von André Stern ist zu sehen, dass autodidaktische Kenntnisse sich im Leben eher ergänzen und leichter gelernt werden können. Ich will wissen, wie etwas funktioniert – ich muss dafür lesen können – also lerne ich lesen.

Dieser Film hat mich in vielerlei Hinsicht sehr beeindruckt. Die Einstellung eines Topmanagers (Thomas Sattelberger – Deutsche Telekom), der anprangert, dass die heutigen Berufsanfänger eher Lemmingen gleichen - ohne das System zu hinterfragen - alles mitmachen. Eine Ansicht, die für einen Manager - der nur auf Profit aus ist - die sehr ungewöhnlich scheint.

Auch der mutigen Schülerin (Yakamoz Karakurt), die mit ihrem Brief das Schulsystem an den Pranger stellt, gilt meine Hochachtung. Es bleibt den heutigen Schülern kaum noch Zeit sich um ihre eigentlichen Talente und kreativen Hobbies zu kümmern. Wer etwas werden will, braucht ein Abitur und hier zählt nur ein sehr gutes Abitur – alles andere ist nichts wert.


Yakamoz Karakurt ("Was denken sich eigentlich diejenigen, die über unser Schulleben bestimmen?“)

Woran liegt es, dass manche Berufe gesellschaftlich nicht so anerkannt sind, wie andere? Woran liegt es, dass unsere Gesellschaft so geworden ist? Wer hat uns solche Dinge auferlegt? Wem sind wir gefolgt, dass wir hierher gekommen sind?

Jeder Pädagoge, Lehrer, Erzieher und vor allem Eltern sollten sich diesen Film einmal angesehen haben.

Wir sollten bereit sein für ein neues System. Wir sollten wieder mehr auf unsere innere Stimme hören und die Ohren offen halten für die Stimmen unserer Kinder. Denn sie sind unsere Zukunft – die Zukunft unserer Gesellschaft. Wir sollten unsere Potenziale ausschöpfen und nicht verkümmern lassen.

Wer gerne über solche Dinge nachdenkt, wer wirklich wissen will, was wichtig ist im Leben, im Bereich der Bildung, Liebe und Bindung – der sollte sich diesen Film ansehen!

 

Für mich – Pflicht im Unterricht!

 

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ERGÄNZENDES:

alphabet: Angst oder Liebe
E. Wagenhofer, A. Stern, S. Kriechbaum
Ecowin Verlag

Was wir sind und was wir sein könnten:
Ein neurobiologischer Mutmacher

Gerald Hüther
FISCHER Taschenbuch

Wie wir Schule machen:
Lernen, wie es uns gefällt

A. de Zárate, J. Tressel, L.-L. Ehrenschneider
Albrecht Knaus Verlag

www.alphabet-film.com

Autor:
Simone Heil

Foto:
Potato Creations©

Gerald Hüther:
https://www.alphabet-film.com/assets/content/images/protagonisten/gerald-huether.jpg

Yakamoz Karakurt
https://www.alphabet-film.com/assets/content/images/protagonisten/yakamoz-karakurt.jpg

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